Die Erdmagnetfeld aus geophysikalischer
Sicht
Oder: Wie verhält sich mein Kompaß in Australien
?
Wir können uns auf der Erdoberfläche mit Hilfe eines Kompaß' orientieren, da die Erde ein Magnetfeld besitzt und die Kompaßnadel sich entlang der Feldlinien dieses Erdmagnetfeldes einstellt. Stellt sich nun die Frage, wie dieses Magnetfeld erzeugt wird; im Innern unseres Planeten befindet sich mit Sicherheit kein überdimensionaler Stabmagnet.
Man nimmt heute an, dass Strömungen im äußeren, geschmolzenen Kern der Erde (etwa in einer Tiefe zwischen 3000 und 5000 km) für das Erdmagnetfeld verantwortlich sind. Ein weitaus kleinerer Teil des Erdmagnetfeldes von etwa 5 % wird durch Ströme in der Ionosphäre (elektrisch leitfähige Hochatmosphäre) der Erde erzeugt. Magnetische Gesteine in der Erdkruste spielen nur lokal eine Rolle, können aber in bestimmten Gebieten (z.B. in der Nähe von Erzvorkommen) zu erheblichen Kompaßabweichungen führen.
Angenähert kann das Erdmagnetfeld durch einen im Erdmittelpunkt angesiedelten magnetischen Dipol (also im Prinzip einen Stabmagneten) beschrieben werden, dessen Achse z.Zt. um etwa 11,4 ° gegenüber der Rotationsachse der Erde geneigt ist. Diese Geomagnetische Achse durchstößt die Erdoberfläche an den geomagnetischen Punkten, die im wesentlichen mit den Magnetpolen identisch sind. Der Dipol ist übrigens nach Süden gerichtet, das bedeutet, daß in der Nähe des geographischen Nordpols ein magnetischer Südpol liegt. Der Grund für diese Sprachverwirrung liegt in der seit alters her gebräuchlichen Bezeichnung "Nordpol" für das Nordende der Kompaßnadel. Man hätte es besser den Nordsuchenden Pol nennen sollen. Die Magnetpole verändern im Laufe der Zeit ihre Position. Der arktische oder boreale Magnetpol lag 1980 bei 73,3° nördlicher Breite und 101,8° westlicher Länge (Nordkanada) und wandert derzeit jährlich etwa 7,5 km in nördliche Richtung. Der antarktische oder australe Magnetpol befand sich 1983 bei 65,2° südlicher Breite und 138,7° östlicher Länge. Er bewegt sich z.Zt. jährlich um etwa 10 km in nordwestliche Richtung. Man nennt diese Polwanderung auch Säkularvariation. |
Es gibt noch weitere, viel krassere Änderungen des Magnetfeldes mit der Zeit: Untersuchungen der Magnetisierung vulkanischer Gesteine am Mittelatlantischen Rücken haben ergeben, daß sich die Richtung des Erdmagnetfeldes etwa alle 0,5 Millionen Jahre umgekehrt hat. Die Richtungsänderung selbst dauerte dabei nur etwa 5000 Jahre. Die Ursache für diese wiederholten Umkehrungen (d.h. Wechsel von magnetischem Nord- und Südpol), die man bis zu einer Zeit vor etwa 80 Millionen Jahre zurückverfolgen kann, ist noch unbekannt.
Daneben gibt aber auch starke, plötzlich auftretende und zudem kurzzeitige Änderungen des Erdmagnetfeldes (sog. erdmagnetische Stürme). Sie werden vorrangig durch in der Ionosphäre auftretende Stromsysteme und durch Plasmaschwingungen in der Magnetosphäre (erdferner Teil des Magnetfeldes) verursacht, für die wiederum Aktivitäten der Sonne verantwortlich sind.
Die Deklination
Wie schon im Kapitel "Orientieren mit dem Kompaß" beschrieben, wird die Winkelabweichung zwischen magnetischem und geographischem Pol magnetische Deklination oder auch Missweisung genannt. Das folgende Bild zeigt eine sog. Isogonenkarte (Stand: 1995); unter Isogonen versteht man dabei die Linien, die Orte gleicher Deklination verbinden:
In Deutschland beträgt der Winkel dieser Abweichung (Deklinationswinkel) derzeit etwa 2,5° W; er nimmt jährlich um 0,15° ab. Diese Winkeländerung wird kontinuierlich gemessen, um jeweils korrekte Karten erstellen zu können.
Verwendet man "alte" Karten, muß man den seit der Kartenerstellung geänderten Deklinationswinkel berücksichtigen. Näher wird diese Problematik in dem Kapitel "Orientieren mit dem Kompaß (Lektion 3)" erläutert.
Ich kann meinen Kompaß auf der ganzen Erde verwenden - Oder etwa nicht ?
Auf dem nebenstehenden Bild (und dem Bild oben) kann man sehr gut den Verlauf der magnetischen Feldlinien in bezug auf die Erdoberfläche verfolgen. Man erkennt, daß die Magnetfeldlinien am magnetischen Äquator parallel zur Erdoberfläche verlaufen, dagegen in hohen Breiten unter einem mehr oder weniger steilen Winkel (der Inklination) in die Erdoberfläche eintreten (bzw. dort austreten) und an den Magnetpolen senkrecht stehen. Diese Tatsache hat ungeahnte Auswirkungen: Die Magnetnadel des Kompaß' versucht nämlich, sich entlang der Magnetfeldlinien einzustellen. In Deutschland beträgt der "Eintrittswinkel" der Magnetfeldlinien etwa 50°, die Kompaßnadel versucht sich also entsprechend einzustellen. Da aber eine solche Neigung der Nadel im Kompaß mechanisch nicht zu realisieren ist, befindet sich auf der Kompaßnadel ein kleines Gewicht, das diese Neigung ausgleicht. Stellt sich die Frage: Was ist, wenn ich meinen Kompaß in einer Region der Erde verwenden will, in der ganz andere Feldlinienwinkel auftreten ? Ganz einfach, dort benötigt man einen anderen Kompaß !! |
Die Erde ist in mehrere Magnetzonen eingeteilt (MN,
NME, ME, SME und MS). Für jede dieser Zone bieten die
Hersteller von Kompassen geeignete Modelle an ! Man
sollte also z.B. nicht versuchen, mit seinem gewohnten OL-Kompaß
an einem Wettbewerb in Australien teilzunehmen (für die
Australier gilt dies natürlich auch im umgekehrten Sinne).
Der Kompaß wird "klemmen",
sich also nicht frei in seiner Aufhängung drehen. In dem mit einem (+)-Zeichen versehenen Gebiet im Norden Kanadas sind Kompasse total unbrauchbar. Da dort die Magnetfeldlinien fast senkrecht in den Boden zeigen, reichen die Kräfte, die auf die Kompaßnadel wirken, nicht mehr aus, diese zu drehen. |
Ein mathematisches Modell zur Deklinationsberechnung
Da magnetische Observatorien nur vereinzelt und ungleichmäßig
über unsere Erde verteilt sind und sich das magnetische Feld
dauert ändert, kann man nicht für jeden Punkt der Erde anhand
der bisher vorliegenden Meßwerte die Deklination direkt angeben.
Deshalb wurden die vorliegenden Daten als Grundlage für ein
mathematisches Modell verwendet:
das International Geomagnetic Reference Field (IGRF).
Dieses IGRF wird alle fünf Jahre erstellt; das letzte im Jahre
2010, es gilt bis zum Jahr 2015. Die Abweichungen der errechneten
von den (später) gemessenen Deklinationswerte liegt bei etwa 1°;
in dicht besiedelten Gebieten (wie Europa oder Nordamerika) fällt
die Abweichung geringer aus, in ozeanischen Gebieten wie dem Südpazifik
etwas größer.
Zum Ende möchte ich noch einen Link angeben, der es ermöglicht, für den Zeitraum von 1900 bis 2015 die magnetische Deklination anhand der Eingabe der geographischen Koordinaten (Längen- und Breitengrad) zu ermitteln. Dahinter steckt das MIRP (Magnetic Information Retrieval Program), ein von der Geomagnetism Program of the Geological Survey of Canada entwickeltes Computerprogramm, das sich auf das IGRF bezieht.
Link zur Deklinationsberechnung: http://geomag.nrcan.gc.ca/apps/mdcal-eng.php
(Autor: Dipl. Geophysiker Peter Gierlach)